Stellungnahme zum Planfeststellungsbeschluss und der Auslegung der Pläne zum Ausbau der Königsbrücker Straße
Bürgerinitiative wird mit Bürgerforum Königsbrücker retten
Was die Politik nicht schaffte, wollen die Anwohner*innen jetzt schaffen
Die Landesdirektion hat die 2016 vom Stadtrat beschlossenen Planungen zum Ausbau der Königsbrücker Straße (Variante 8.7) genehmigt. Die aktualisierten Planunterlagen werden ab heute, dem 5. Juni 2024, im Straßen- und Tiefbauamt ausgelegt. Damit sind wir einen Schritt näher an einem städtebaulichen Verbrechen. Die Liste der Kollateralschäden ist lang: Abholzung der Baumallee, Verdrängung des städtischen Lebens durch eine auf weiten Strecken vierspurige Asphaltschneise durch die Neustadt, sehr schmale Gehwege und mutmaßlich Rückbau der meisten Außengastronomiebereiche. Die umliegenden Wohngebiete wie das Hechtviertel werden durch Veränderung einiger Abbiegespuren mit deutlich mehr Durchgangsverkehr belastet. Darüber hinaus wird ein kostspieliger Ausbau über mindestens 3 Jahre hinweg nicht nur den Fortbestand der anliegenden Gewerbe gefährden, sondern potentiell auch den Haushalt der Stadt Dresden sprengen.
Johannes Kristensen von SMA erklärt hierzu: „Die Königsbrücker Straße heute nach veralteten Planungskriterien und Messdaten, wie „Durchgangsgeschwindigkeit“ und „vermehrte KfZ-Nutzung“, auszubauen, ist weder zeitgemäß, noch für die derzeitige Auslastung erforderlich.“
StadtMussAtmen setzt sich als Alternative zum Ausbau weiterhin für eine zeitnahe Bestandssanierung ein, die mit deutlich kürzerer Bauzeit und weniger Kosten umsetzbar wäre. So könnten auch die überfälligen Erneuerungen (u.a. die neuen Straßenbahngleise und Versorgungsleitungen) durchgeführt werden, ohne wichtige soziale und ökologische Aspekte außer Acht zu lassen.
Jenny Keck ergänzt: „In den vergangenen Jahren hat keine angemessene Beteiligung oder Aufklärung der Anwohner*innen stattgefunden. Um die betroffenen Menschen endlich mit einzubeziehen und den öffentlichen Willen festzustellen, streben wir die Durchführung eines Bürgerforums an. Diese Möglichkeit ist in der Bürgerbeteiligungssatzung der Stadt verankert. Über die vom Bürgerforum getroffenen Beschlüsse und Empfehlungen muss dann der neu gewählte Stadtrat abstimmen.“
Für die Einberufung des Bürgerforums werden mindestens 2500 Unterzeichnende benötigt. Seit dem Beginn der Unterschriftensammlung am 12. April 2024 haben wir als Initiative bereits knapp 1000 Unterschriften gesammelt. Unterschriften können in einer unserer Auslagestationen geleistet oder abgegeben werden.
Abschließend Dirk Fleischer: „Die Königsbrücker Straße hat es verdient, dass ein aktuelles öffentliches Votum von einem aktuellen Stadtrat behandelt und beschlossen wird. Die Politik darf sich nicht hinter Beschlüssen von Anno-Dazumal verstecken.“
Zur weiteren Information haben wir unsere Beantwortung der Presseanfrage der Sächsischen Zeitung vom 23.05.2024 unten mit angefügt.
Links:
- Bekanntmachung der Landesdirektion Sachsen: Planfeststellung für das Verkehrsbauvorhaben „Königsbrücker Straße (Süd) zwischen Albertplatz und Stauffenbergallee“
https://www.lds.sachsen.de/bekanntmachung/?ID=21520&art_param=631 - Verkehrsfluss Königsbrücker Straße (1999 bis heute)
http://www.koenigsbruecker-muss-leben.de/images/Img/News/verkehrsfluss_koenigsbruecker_08.2022.pdf - Link zum ausdruckbaren Unterschriftenzettel
https://www.stadt-muss-atmen.de/2024/04/18/unterschriftensammlung/ - Übersichtskarte der Sammelstellen
https://umap.openstreetmap.de/en/map/stadt-muss-atmen-sammelstellen_59997#15/51.0703/13.7530 - Unsere Wahlprüfsteine
https://www.stadt-muss-atmen.de/2024/05/22/wahlpruefsteine-2024/
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Beantwortung der Presseanfrage der Sächsischen Zeitung 23.05.2024
1. Können Sie mir sagen, wie das Planfeststellungsverfahren für Sie ablief?
In der langen Historie der Königsbrücker Straße hat es noch nie einen fundierten Beteiligungsprozess gegeben. Dabei muss dies der erste Schritt bei allen Stadtraumplanungen sein: So können Konflikte vermieden und Gemeinwohlorientierung gesichert werden.
2. Sind Sie mit Ihren Forderungen angehört worden?
Wir sind als StadtMussAtmen seit Anfang 2021 mit Demonstrationen, Infoständen und nachbarschaftlicher Vernetzung aktiv. In dieser Zeit gab von Seiten der Stadt keine Bürgerbeteiligungsformate und auch die rekordverdächtig hohe Anzahl von Eingaben hat zu keinen substantiellen Anpassungen der Planungen geführt.
3. Was konkret waren Ihre Forderungen und warum war Ihnen dies wichtig?
Unsere dringlichste Forderung ist, die 120 ausgewachsenen Stadtbäume zu erhalten, die dem Ausbau zum Opfer fallen sollen. Außerdem wollen wir im Sinne der längst überfälligen Verkehrswende zusätzlichen Autoverkehr auf der Königsbrücker Straße und in den umliegenden Wohngebieten vermeiden. Sichere Schulwege, Aufenthaltsqualität und Soziokultur sollen durch großzügige Seitenbereiche ermöglicht werden. Die Modernisierung der Gleisanlagen für die neuen Stadtbahnen begrüßen wir. Radverkehrsanlagen parallel zu ruhendem Verkehr neu zu bauen ist nicht mehr Stand der Technik moderner Stadtplanung. Mit einer Sanierung im Bestand wären die wesentlichen Erneuerungen schneller und günstiger zu haben als wenn wir an einem aus der Zeit gefallenen Ausbauprojekt festhalten, das jetzt aus Prinzip umgesetzt wird. Eine weitere Verzögerung der Sanierung ist das letzte was wir wollen. In der Praxis würde die vergleichsweise längere Bauzeit eines Ausbaus allerdings den Stadtverkehr blockieren und den anliegenden Gewerben unnötig schaden.
4. Wie groß ist Ihre Bürgerinitiative? Wie viele Unterschriften haben Sie eingereicht?
Wir sind ein Dutzend aktive Menschen mit einem Unterstützer*innenkreis von ca. 75 Personen. Durch Kooperationen und personelle Überschneidungen sind wir an verschiedene sozialökologische Initiativen in der Stadt mit angebunden. Für das aktuell angestrebte Bürgerforum bzw. Bürgerempfehlungsverfahren haben wir in den letzten Wochen bereits 500 Unterschriften gesammelt.
5. Wie bewerten Sie das Ergebnis des Verfahrens? Auch den Umstand, dass die kleine Flatterulme gerettet wurde?
Der teure und langwierige Ausbau hat in unseren Augen zu wenig praktischen Nutzen: Durch den deutlich breiteren Straßenzug und die überdimensionierten Kreuzungen müssen alle Verkehrsteilnehmer längerere Zeit an den Ampeln warten und durch die komplexere Verkehrsführung neue Umwege durch umliegende Wohngebiete fahren, um ans Ziel zu kommen. Gerade das Hechtviertel wird davon massiv betroffen sein. Dabei möchte beispielsweise auf der Rudolf-Leonhard-Straße niemand zusätzlichen Durchgangsverkehr. Anwohner*innen wünschen sich stattdessen eher eine Verkehrsberuhigung, die zu den vielen Cafés und dem ausgeprägten sozialen und kulturellen Leben in diesem Viertel passt. Die teilweise sehr schmal geplanten Gehwege auf der Königsbrücker Straße haben mit Barrierefreiheit leider wenig zu tun, stattdessen wird eine asphaltierte Schneise durch das Viertel gezogen, die nicht ohne weiteres überquert werden kann. Mit einer Begrünung des Gleisbetts ist nicht zu rechnen, da diese Strecke regelmäßig von den Einsatzfahrzeugen der anliegenden Feuerwehr genutzt werden soll.
Das größte, kaum zu rechtfertigende Manko sehen wir allerdings in der geplanten Abholzung von 120 großen, alten Stadtbäumen. Diese können durch die Neupflanzung von kleinen, jungen Bäumen nicht kompensiert werden. Die Dresdner Neustadt ist der Teil der Stadt, der sich im Sommer am stärksten aufheizt – mit drastischen Folgen für die Gesundheit und Lebensqualität der Bewohner*innen. In Anbetracht der wissenschaftlichen Evidenz und der aktuellen politischen Entwicklungen müssen wir leider damit rechnen, dass die Klimakrise in den nächsten Jahren weitgehend unkontrollierbar weiter eskalieren wird. Vor dem Hintergrund des prognostizierten Temperaturanstiegs ist die Abholzung soeiner großen Zahl von Stadtbäumen grob fahrlässig. Wenn die Klimaanpassungskonzepte der Stadt Dresden das Papier wert sein sollen, müssen wir endlich damit anfangen, die Realität der Klimakrise ganz konkret vor Ort ernst zu nehmen. Dass die kleine Flatterulme gerettet wurde, ist zwar begrüßenswert, ändert aber wenig an der ökologischen Gesamtbewertung.
6. Wie haben Sie das Verfahren erlebt? Sind Sie als Bürgerinitiative ernstgenommen worden?
Von Seiten der Stadt sind wir weitgehend ignoriert worden, auch unsere Eingaben haben zu keinen wesentlichen Anpassungen in unserem Sinne geführt. Der folgende Fall ist hierfür beispielhaft.
In der Hausmitteilung der Stadt Dresden vom 14.02.2023 ist unter 4. festgehalten: „Einmal halbjährlich findet eine Einwohner/-innenversammlung zur Vorstellung und Diskussion des aktuellen Standes der Planungen für die Königsbrücker Straße von Albertplatz bis Stauffenbergallee statt.“
Zwecks Bürgerbeteiligung haben wir zuletzt beim Oberbürgermeister sowie beim Baubürgermeister folgendes angefragt:
1. Fanden bereits zwei Einwohner/-innenversammlungen zur Königsbrücker Straße statt? Wenn ja, wann und wo fanden diese statt? Wenn nein, warum nicht?
2. Ist zeitnah (bis ca. Mitte August) eine Einwohner/-innenversammlung zur Königsbrücker Straße geplant? Wenn ja, wann und wo findet diese statt? Wie und wo wird darüber informiert? Wenn nein, warum nicht?
Dazu haben wir leider nie eine Antwort erhalten.
7. Und eben – wie oben bereits geschrieben: Werden Sie klagen oder anderweitig gegen das Ergebnis vorgehen? Warum (nicht)?
Als Bürgerinitiative sind wir nicht klageberechtigt. Da die nun vorhandene Baugenehmigung eine veränderte Ausgangslage darstellt, werden wir uns zeitnah dazu abstimmen, wie wir weiterhin mit der Situation umgehen wollen. Darüber hinaus bleiben wir lokal engagiert und werden uns für mehr Lebensqualität durch grünere und sozialere Stadtentwicklung in unserem Kiez einsetzen. Falls es zur Durchführung eines Bürgerforums kommt, muss dann der neu gewählte Stadtrat nochmal aktiv über die ausgearbeiteten Empfehlungen entscheiden.